Karl Gayer und die Eiche

Tagung zum 200. Geburtstag von Prof. Karl Gayer in Aschaffenburg

 

BDF-Senioren des Bezirks Schwaben 2022

Publikum der Gayertagung 2022 in Aschaffenburg;  Bild © Feller

Das Zentrum Wald Forst Holz organisierte in Zusammenarbeit mit mehreren Kooperationspartnern eine Tagung zum 200. Geburtstag von Karl Gayer am 14. und 15. Oktober 2022. Das Schloss Johannisburg in Aschaffenburg bot einen würdigen Rahmen mit Bezug zu Karl Gayer und der Eiche. So lehrte Gayer 23 Jahre als Professor an der königlich-bayerischen Central-Forst-Lehranstalt in Aschaffenburg. Die Eiche ist Markenzeichen des angrenzenden Spessarts und Kristallisationspunkt forstpolitischer Diskussionen im Spessart. Die Exkursion am 15. Oktober führte „Auf den Spuren von Karl Gayer“ durch den Strietwald, den Lehrwald der damaligen Forsthochschule.

Karl Gayer war seiner Zeit weit voraus

Alle Redner der Tagung beziehen sich auf Zitate von Karl Gayer und verknüpfen diese mit ihrem jeweiligen Fachgebiet oder Positionen ihrer Verbände. Demnach lässt sich Karl Gayer nicht nur auf sein allseits bekanntes Werk „Der gemischte Wald“ reduzieren. Vielmehr steht er auch für präzise Beobachtung und evidenzbasiertes Arbeiten. Essentiell ist für ihn „die Harmonie aller im Wald wirkenden Kräfte“ und die Pflege der „natürlichen Erzeugungskraft des Standortes“ im „naturgemäßen“ Waldbau. Pflege der Bestände und bevorzugt horstweise Verjüngung sollen zu einem gemischten Wald führen. Heute verwendete Begriffe wie „biologische Automation“, „Dauerwald“ oder „Ökosystem Wald“ umschreibt und propagiert Gayer in seinen Lehrbüchern. Damit richtet er das Denken im Wald neu aus. Mit seiner Positionierung gegen Kahlschlag, kurze Umtriebszeiten und reine Nadelholzforste stellt sich Gayer gegen den Zeitgeist in der gesamten Gesellschaft zu Zeiten der Industrialisierung, aber auch gegen den Zeitgeist der damaligen Forstwirtschaft.

Wie Gayer wohl die starke Fokussierung der Forstwirtschaft auf die Ökonomie im Zuge und auch noch nach der Forstreform 2005 beurteilt hätte, wurde nicht diskutiert.

Moderation: Prof. Dr. Klaus Richter, Leiter des ZWFH

Videobotschaft von StMin Michaela Kaniber

Grußwort von Aschaffenburgs OB Jürgen Herzing

Dr. Joachim Hamberger, Arbeitskreis Forstgeschichte in Bayern
Einführung zu Person und Wirken von Karl Gayer

Prof. Dr. Reinhard Mosandl, Stiftung Karl Gayer
Karl Gayers „Eichenzucht“ im Lichte neuerer waldbauwissenschaftlicher Forschung

Enno Uhl, TU München
Dynamik der Eichenverjüngung – Von der Analyse zur Steuerung

Prof. Dr. Thomas Knoke, TU München
Ökonomie des Gayerschen Waldbaus

Dr. Peter Pröbstle, Leiter der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Eiche als Zukunftsbaum im Klimawandel

Dr. Sebastian Höllerl, Bayer. Staatsforsten AöR
Zukunft der Eiche in der bayerischen Forstwirtschaft

MR Georg Josef Wilhelm, Umweltministerium Rheinland-Pfalz
Zukunft der Eiche in der rheinland-pfälzischen Forstwirtschaft

Dr. Ralf Straußberger, Bund Naturschutz Bayern
Was bedeuten Karl Gayers Lehren für die Waldwirtschaft heute?

Prof. Dr. Manfred Schölch, Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Bayern
Karl Gayer in der naturgemäßen Waldwirtschaft

Prof. Dr. Volker Zahner, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Karl Gayers Auswirkungen auf die forstliche Ausbildung

Film: Eichensaat und Eichenwirtschaft im Spessart

Eichennachzucht und -pflege gefordert

BDF-Senioren des Bezirks Schwaben 2022

Exkursion durch den Strietwald Bild © Feller

Mehrere Vortragende betonen die besondere Bedeutung der heimischen Eiche(n) im Klimawandel. Ihr Anteil solle deshalb erhöht werden – vor allem in Form von Mischbeständen. Schon Beobachtungen Gayers sowie auch neuere Studien belegen den Konkurrenznachteil der Eiche vor allem gegenüber der Buche: „Eiche braucht Pflege“.

Prof. Dr. Reinhard Mosandl fordert daher ein Eichennachzucht-Programm und eine Eichenpflege-Initiative – beides benötigt Investitionen und vor allem Personal. Im anschließenden Pressegespräch sieht Mosandl eine moralische Verpflichtung der heutigen Forstgeneration: „Wer Eichen erntet, muss auch für junge Eichen sorgen“.

Deutlich wird aber auch: wer Stilllegungen in Eichenbeständen im Spessart fordert, wird dort deren Anteil mittel- bis langfristig dramatisch reduzieren. 

Dr. Sebastian Höllerl von den BaySF konstatiert eine Zunahme der Eichenflächen im bayerischen Staatswald von 12.500 ha im Jahr 2005 auf nunmehr 14.800 ha. Ist mit durchschnittlich 135 ha Steigerung der Eichenfläche je Jahr im Staatswald der moralischen Verpflichtung Genüge getan? Und wie ist angesichts teurer und betreuungsintensiver Eichenkulturen die Situation im Privat- und Körperschaftswald?

Angepasste Schalenwildstände, flächig Eiche

Beim gemeinsamen Ziel, die Eiche waldbaulich zu fördern, werden verschiedene Wege aufgezeigt. Dr. Ralf Straußberger vom BN Bayern sieht künftig die Verjüngung der Eiche weniger über klassische Saaten wie im Spessart praktiziert – und schon gar nicht in alten Buchenbeständen – sondern über mehr Naturverjüngung. Voraussetzung dafür sind angepasste Schalenwildstände.

Ministerialrat Georg Josef Wilhelm vom rheinlandpfälzer Forstministerium möchte „lieber in 80% der Wälder 20% Eiche als in 20% der Wälder 80% Eiche“. Bei seinem Konzept Qualifizieren/Dimensionieren werden ab dem Alter von 25 Jahren Auslese-Eichen von allem freigehalten, was ihre Kronenbasis-Äste beeinträchtigt. 

BDF-Senioren des Bezirks Schwaben 2022

Referenten und Nachfahren von Karl Gayer;  Bild © Feller

Wo ist der „Localbeamte“?

BDF-Senioren des Bezirks Schwaben 2022

Vortrag im Schloss Johannisberg in Aschaffenburg;  Bild © Feller

Auch in berufspolitischer Hinsicht werden bei der Tagung zwei interessante Anliegen Karl Gayers genannt:

Der Waldbau muss in den strengen Grenzen der Natur in „möglichst unbeengter Freiheit“ wirken können. Prof. Dr. Manfred Schölch sieht darin quasi das Gegenteil von bayernweit strikt implementierten Richtlinien.

Der Waldbau ist Sache des „Localbeamten“. Doch wo ist der „Localbeamte“ heute noch zu finden? Straußberger benennt z.B. für die Bayerischen Staatsforsten einen Personalabbau von 2005 bis heute von minus 912 Vollarbeitskräften oder minus 31 %. Seit 1993 wurden im gesamten öffentlichen Forstbereich sogar insgesamt über 44 % des Forstpersonals abgebaut.

Angesichts des massiven Personal- und Revierabbaus in den vergangenen Jahrzehnten im Wald sowie der stark zentralisierten und zahlenfokussierten Steuerung manch großer Forstbetriebe scheinen sich leider diese beiden Anliegen Gayers nicht allzu erfolgreich etabliert zu haben.

Auf www.forstzentrum.de sind das Grußwort der Staatsministerin Michaela Kaniber sowie die meisten Präsentationen der insgesamt zehn hochkarätigen Vorträge zu finden. Diese und eine ausführliche Pressemitteilung des Zentrums Wald-Forst-Holz zur Tagung finden Sie hier. (Link muss noch eingefügt werden: https://www.forstzentrum.de/index.php/de/aktuell/141-tagung/606-downloadbereich-karl-gayer-und-die-eiche-2022).

Stefan Feller